Donnerstag, 28. Juni 2012

Kein Grund zur Traurigkeit

Liebe Sara,

und wieder einmal sitze ich in dem Bus auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Aber ich muß nur noch morgen arbeiten und dann habe ich eine Woche frei! Ferien! Wenn auch nicht so lang wie Deine Ferien. Und auch wenn mich das fröhlich stimmt, bin ich auch traurig. Zunächst einmal hat die Deutsche Nationalmannschaft heute gegen Italien verloren. Traurig bin ich deshalb, weil die deutsche Mannschaft so hart gearbeitet hat und dennoch nichts ausrichten konnte gegen die Italiener, denen scheinbar alles nur so zufällt, ohne daß sie sich viel anstrengen müssten.

Leider gibt es so etwas häufiger im Leben. Der eine rackert und schuftet und kommt auf keinen grünen Zweig, ein anderer hat entweder genug Talent, Glück, ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort, kennt die richtigen Leute oder bereichert sich einfach auf Kosten anderer. So ist das Leben nun einmal. Viele sind ehrlich und arbeiten hart, andere kommen immer irgendwie durch mit allem, was sie tun. Davon darf man sich aber nicht entmutigen lassen. Und vor allem ist es kein Grund, sich genauso zu benehmen wie sie. Stell Dir nur einmal vor, wie eine Welt aussehen würde, in der jeder nur auf Kosten anderer lebt. Das wird nicht lange funktionieren.

Auch damals, als ich noch Ferien hatte, war ich oft traurig. Aus allen möglichen Gründen. Sechs Wochen freie Zeit ist sehr schön aber es sind auch sechs Wochen, in denen man wenig Ablenkung hat und viel Zeit mit Nachdenken verbringen kann. Und wenn Du einmal damit angefangen hast, über traurige Dinge nachzudenken, dann ist es schwer, wieder damit aufzuhören. Mir ist das ganz oft passiert, wenn ich schlimme Nachrichten gehört oder mir Sendungen über traurige Dinge angeguckt habe. Dann konnte ich nicht mehr aufhören, darüber nachzudenken was wäre, wenn meiner Familie so etwas passieren würde wie im Fernsehen. Wenn das, was dort geschehen ist auch in der Nachbarschaft geschehen würde. Und flugs war die schöne Ferienzeit, die ich doch mit Spielen und Fröhlichsein hätte verbringen sollen, zu langen, dunklen und beängstigenden sechs Wochen geworden, die unendlich lang erschienen.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann wüßte ich, was ich zu der kleinen, verängstigten und traurigen Eva sagen würde: "Eva, Du hast eine Familie, die Dich liebt. Eltern, einen Bruder, Großeltern und auch Freunde. Sprich mit denen über das, was Dich beschäftigt! Ein dunkler Gedanke löst sich mir nichts, Dir nichts in Luft auf, wenn Du eine zweite Meinung einholst. Und selbst wenn Deine Mutter keine Lösung parat hat, es reicht, wenn sie Dich in den Arm nimmt und Dir sagt, daß sie Dich lieb hat, Du nicht allein bist und alles gut wird. Und jetzt geh raus, mach Dich schmutzig und genieß Deine sechs Wochen Ferien! Das Leben ist zu kurz, um es an dunkle Gedanken und Traurigkeit zu verschwenden. Ein Kind muß ein Kind sein und muß sich nicht erwachsene Gedanken machen. Dahin kommt es noch früh genug!"

Mach es besser als ich, Sara. Genieße jede Sekunde Deiner Kindheit und Deiner freien Zeit. Sei fröhlich und habe ganz viel Spaß. Du hast es verdient!

Ich drücke Dich und Debora ganz fest und sehe Euch in (fröhlichen) Gedanken beim Spielen, Lachen und Leben geniessen zu.

Eure Eva

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