Sonntag, 23. Februar 2014

Zum Fürchten

Liebe Sara,

im Leben gibt es einiges, was uns nicht geheuer ist oder sogar ganz gewaltig Angst einjagt. Dafür gibt es viele Gründe. Oft liegt Furcht vor etwas einfach nur daran, daß es uns neu und unbekannt ist und wir nicht wissen, was wird davon halten sollen. Wir wissen nicht, ob es uns gefährlich werden und Schaden zufügen kann. Oder aber, im umgekehrten Fall, wissen wir ganz genau, was uns erwartet und fürchten uns genau deshalb. Grundsätzlich ist Furcht etwas ganz Natürliches und sogar etwas Gutes. Sie läßt uns vorsichtig an etwas herangehen, was ungut für uns ausgehen könnte. Wir leben länger, dank ihr. Aber sie kann auch sehr negativ sein, uns von etwas sehr schönem abhalten, oder aber sogar zu sehr schlimmen Dingen veranlassen.

Unbekannte Dinge, vor denen wir uns fürchten, kommen in ganz unterschiedlichen Formen vor. Das erste Mal mit einem Flugzeug fliegen, Auto fahren, Fahrrad fahren, schwimmen ohne Schwimmflügel. Eine Reise an einen Ort, an dem wir noch nie waren, fremde Menschen, die vielleicht so ganz anders aussehen und reden als wir. Gefühle, die wir noch nie vorher hatten oder eine Aufgabe, die wir noch nie vorher ausgeübt haben.

Nun, die Furcht kann nun unterschiedliches bewirken. Im schlimmsten Fall versuchen wir erst gar nicht, uns dem neuen zu stellen und sagen einfach "Ich kann das nicht.", "Ich bleibe zu Hause und reise nicht.", "Ich will nichts mit dieser Person zu tun haben.", "Ich gehe allem aus dem Weg, was dieses Gefühl in mir hervorruft." und, etwas das ich ganz gern getan habe, als ich noch klein war, wir pressen unseren Mund zusammen und gehen lieber hungrig ins Bett, als das komisch aussehende grüne Gemüse oder den stinkenden weichen Käse auf unserem Teller zu probieren.

Die andere Art, damit umzugehen, ist Furcht in Neugier und Interesse zu verwandeln. Zunächst einmal solltest Du dich fragen, warum genau Du dich fürchtest. Du hast Angst, mit dem Flugzeug abzustürzen, vom Fahrrad zu fallen und Dir wehzutun, das Auto kaputt zu fahren, dich in einer fremden Umgebung zu verlaufen und nicht nach Hause zu finden. Du weißt nicht, ob dir die fremde Person gut oder böse gestimmt ist und denkst, Du kannst dich nicht mit ihr verständigen. Du bemerkst wie dein Körper auf Dinge in einer Weise reagiert, wie er es noch nie zuvor getan hat und Du sorgst dich, daß das vielleicht nicht gut für deine Gesundheit sein könnte. Und Du hast Angst, die neue Aufgabe nicht zu schaffen und von anderen ausgelacht oder als Versager angesehen und bezeichnet zu werden.

Sich über den Grund für die Angst im klaren zu sein ist ein wichtiger Schritt. Denn nur so kannst Du dir Informationen beschaffen, die dir helfen, deine Sorgen zu beschwichtigen. Zum Beispiel gibt es jede Menge Informationen darüber, wie sicher das Reisen mit dem Flugzeug ist. Es ist viel gefährlicher, mit dem Auto zu fahren (vor allem mit deiner Mutter im Auto zu fahren. Glaub mir, ich weiß, wie sie Auto fährt :-)). Es gibt Fahrschulen, die Dir langsam beibringen, Auto zu fahren und die Verkehrsregeln zu verstehen und zu beachten. Du kannst andere beim Fahrradfahren beobachten und sie fragen, wie es funktioniert und mit Stützrädern so lange üben, bis Du dich sicher genug fühlst, es ohne zu wagen. Du kannst Schwimmunterricht nehmen und im flachen Wasser beginnen und üben, so dass Du vor dem tiefen Wasser keine Angst mehr haben musst. Du kannst viel lesen über andere Orte. Viele Menschen, die dort wohnen oder schon dort hingereist sind, haben bereits Informationen gesammelt und in Reiseführern oder Landkarten dokumentiert, so dass es für Dich viel einfacher ist, Dir ein Bild von einem Ort zu machen und Dich zu orientieren. Fremde Menschen lassen sich in den meisten Fällen durch ein Lächeln und ein freundliches Wort, egal in welcher Sprache, "entwaffnen". Gut, das reicht nicht immer aus. Aber generell solltest Du annehmen, daß es der anderen Person genauso geht wie Dir. Sie weiß nicht, wer Du bist und ob Du freundlich gesinnt bist. Und somit ist das beste in dieser Situation, der anderen Person so zu begegnen, wie Du dir wünscht, daß sie Dir begegnen würde.

Eine neue Aufgabe, entweder in einer Schularbeit, beim Sport, oder bei der Arbeit, kann auch sehr furchteinflößend sein. Für mich war es das schlimmste, ein Referat oder einen Präsentation vor meiner Klasse oder einer Gruppe von Kommilitionen oder Kollegen halten zu müssen. Ich war tagelang vorher nervös und habe mir die schlimmsten Dinge ausgemalt. Und die ersten Male war ich auch alles andere als gut. Ich habe leise gesprochen, gestottert, auf den Boden geguckt und nur von meinem Blatt abgelesen. Und einmal, als ich bei der Arbeit meinen ersten Vortrag auf Englisch halten mußte, vor etwa 50 Kollegen, habe ich doch tatsächlich den Faden verloren. Ich stand vor meinen Kollegen und wußte nicht mehr, was ich als nächstes sagen oder tun wollte. Mir wurde heiß und kalt, ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen und aus dem Raum zu laufen. Ich schaute für etwa dreißig Sekunden schweigend auf meinen Computer und merkte, wie meine Kollegen langsam unruhig wurden und es ihnen unangenehm war, mich so zu sehen. Irgendwie habe ich es geschafft, den Vortrag zu Ende zu bringen. Und da ich wußte, daß es besser ist, Fehler einzugestehen und darüber zu lachen also so zu tun als sei nichts passiert, tat ich genau das vor der ganzen Gruppe, ich gestand ein, daß ich gerade keinen guten Vortrag gehalten habe. Und wurde mit Applaus und erleichtertem Lachen belohnt. Keiner hat es mir übel genommen. Ganz im Gegenteil, jeder einzelne aus der Gruppe kann sich heute noch an mich erinnern und einige waren dankbar zu sehen, daß sie es mit einem Menschen zu tun hatten und nicht mit einer Maschine. Und für mich war dieses Erlebnis unglaublich lehrreich. Seitdem habe ich zahllose Vorträge vor sogar viel größeren Gruppen gehalten und war viel entspannter. Schließlich was das schlimmste, was passieren konnte bereits passiert. Und ich hatte es heil überstanden. Was konnte da noch schlimmeres kommen?

Eine gute Methode, mit neuen Aufgaben umzugehen ist, andere um Rat zu fragen. Meistens gibt es jemanden, der sich damit bereits auskennt und bereit ist, Dir zu helfen. Bei schwierigen Matheaufgaben, hat mir Dein Opa oft geholfen und mir so einiges beigebracht. Im Vergleich zu meinem Mathelehrer war er um einiges ermutigender und dank ihm weiß ich, daß ich ganz gut bin in Mathe. Bei der Arbeit habe ich oft ältere und erfahrenere Kollegen um ihre Meinung oder Hilfe gebeten. Manchmal hilft es auch, einem Kollegen zu erklären, was man macht und allein über Dein Problem zu reden, hilft Dir die Antworten zu finden. Auch wenn es mir oft schwer fällt, andere um Hilfe zu bitten, freut sich jeder, den ich frage. Ich helfe auch gerne anderen und Du sicherlich auch. Auch hier ist es gut, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn jemand Dich um Hilfe bitten würde, sich in die andere Person hineinzuversetzen. Meist ist es für den anderen eine Freude oder sogar Ehre, Dir helfen zu können und sich nützlich zu fühlen.

Neue Gefühle können Dich ziemlich durcheinanderbringen. Zum ersten mal Angst zu haben. Deine Hände schwitzen, Dein Atem geht schneller, Du bist unruhig und möchtest am liebsten weglaufen oder Dich in ein Versteck verkriechen. Das sind ganz natürliche Instinkte. Eine Gazelle hat Angst, wenn sie die Löwen sieht. Und sie rennt so schnell sie kann davon. Und rettet ihr Leben. Für uns Menschen muß weglaufen nicht immer das richtige sein, wie ich weiter oben geschrieben habe.

Zum ersten Mal verliebt sein. Auch das ist ein sehr beunruhigendes Gefühl. Du magst etwas ähnliches bereits kennen, das Gefühl für deine Eltern, deine Schwester und Opa und Oma. Besonders stark ist es, wenn es ihnen nicht gut geht, wenn es gemischt ist mit Angst. Der Angst, daß ihnen etwas passieren und sie plötzlich nicht mehr dasein könnten.

Aber dieses Gefühl gibt es auch in einer anderen Version. Üblicherweise nur für eine Person zur selben Zeit. Allein der Gedanke an diese Person lässt dein Herz schneller schlagen. Du bist aufgeregt und kannst nichts essen, wenn Du weißt, daß Ihr Euch bald seht. Und die Zeit in der Gegenwart des anderen scheint doppelt so schnell zu vergehen, während die Zeit des Wartens darauf, den anderen wiederzusehen, dahinzuschleichen scheint. Du hast noch ein paar Jahre Zeit, bis es Dir so gehen wird. Was ich Dir raten kann ist, jeden Moment davon zu geniessen. Neugierig zu sein, und nichts zu unterdrücken, auch den negativen Seiten mit Interesse zu begegnen. Sie machen die guten Seiten um so wertvoller. Verliebtsein ist das schönste Gefühl auf der Welt und es gibt keinen Grund, davor Angst zu haben.